Christus kam nur bis Eboli und der Teufel bis zum Gartentor.


Einst stand die Tuffsteinmauer fest, liebevoll mit selbst zurecht gehauenen Platten aus der nahen Campagna eigenhändig beklebt. Ein Meisterwerk für einen, der dieses Handwerk nie gelernt. Dahinter ein Garten mit Bäumen, die Früchte von hinreissender Süsse hergaben, ein Boden, der dem Gemüse die unverwechselbaren Aromen apulischer Erde verlieh. Und nun das! Ihr Besitzer, vom Tode eingeholt, ruht im Frieden auf dem Friedhof in Manduria. Er nahm manches Geheimnis mit ins Grab, wie so mancher, der dort die letzte Ruhe fand. Schweigen gehört zum Kulturgut Apuliens. Das Leben ist hier anders, als wir, die der sonnigen Ferien wegen hier weilen, es uns ausmalen. Wie oft sass ich an kühlen Abenden in diesem Garten auf einem improvisierten Sitz, mich der Ameisen wehrend, die den Weg in meine Hosenbeine suchten! Gleichzeitig hatten jene, die bei Emanuel hochkletterten, dessen Hosen schon längst untertunnelt und den Nacken erreicht. Gebannt hörte ich den Weisheiten und Geschichten Emanuels aus einer mir fremden Welt zu, wenn er beim Referieren barfuss mit der Hacke die Erde bearbeitete. Bei Begebenheiten, die wachsame Ohren auf der anderen Seite der Mauer nicht mitbekommen sollten, setzte er sich an irgend einem rohen Gemüse kauend neben mich. 

„Er“, ich wisse ja wer, hätte ihn vor längerer Zeit hier am Gartentor angesprochen, hätte gemeint, “du bist reich, du hast ein Haus und ein Garten, gib mir etwas von deinem Reichtum, dann passiert dir nichts!“ 

Ausgerechnet „er“, der schon Jahre gesessen und eigentlich immer noch hinter Gitter sein sollte! 

Carlo Levi schrieb den hinreissenden und zugleich erschütternden Roman: “Christus kam nur bis Eboli”. Autobiografisch schildert Levi seine Verbannung unter dem Regime von Mussolini, das ihn in den abgelegensten und rückständigsten Teil Süditaliens verbannte. An dieser Stelle müsste ich schreiben, “der Teufel kam nur bis vor die Gartenmauer!”

Ein böser Krebs zerrte an Emanuel Kräften, so dass diese nicht mehr reichten, den Garten zu bestellen. Bei all dem Leid zeigte die Natur ungebrochen ihre Kraft. Was Emanuel sonst im Garten bekämpfte, ohne Gift zu verwenden, überwucherte . Was er einst hegte und pflegte, verschwand unter dem Unkraut. Emanuels ohnehin spezieller Ordnungsinn endete im noch grösseren Chaos. 

Die Mauer fiel allerdings nicht von selbst... 

Der kranke Emanuel, der sich meines Wissens nie vom Teufel verbiegen liess und dafür nicht nur einmal bestraft wurde, erlebte den Fall der Mauer noch selber. Wie weh es ihm tat, weiss ich nicht. Mir bot sich nicht mehr die Gelegenheit, mit ihm darüber zu sinnieren.