Manduria ist nach einem jahrhundertalten Dornröschenschlaf weltberühmt geworden, nicht ihrer ausserordentlichen Schönheit wegen - da gibt es in der Salento eindrücklicher Städtebilder als jenes von Manduria, nein, der Wein katakulpierte die Stadt in einen Bekanntheitsgrad, den man vor 20 Jahren nie für möglich gehalten hätte. Der legendäre Wein, genannt "Primitivo di Manduria" entwickelte eine Werbekraft, den selbst die raffinierteste. Tourismuswerbekampagne nicht hingebracht hätte. Dieser Wein ziert sich nicht nur kräftig im Gaumen, er verlieh zusätzlich seiner Ursprungsstadt ein nachhaltiges Image. Bei allem Respekt: Um als begehrte Feriendestination Bedeutung zu erlangen, ist Manduria halt zu wenig nahe am Meer gelegen, bietet keine überragenden Sehenswürdigkeiten und das kulturelle Angebot erscheint zu dürftig. Das heisst nicht, dass Manduria nicht sehenswert ist. Die Stadt hat durchaus seinen Reiz und Charme. Die vielen, vorwiegend aus der Barockzeit stammenden Kirchen und Päläste, überhaupt die Altstadt rund um die gotische Kathedrale, dem eindrücklichen Judenviertel und mit den verwinkelten Häuserecken und Nischen beeindruckt beim Spaziegang. Bei einer filmreif sich darstellende Kulisse fühlt man sich ins Mittelalter zurückversetzt, wobei nicht einmal das Mittelalter die bekanntesten historischen Monumente zurückgelassen hat. Vielmehr beeindrucken am Stadtrand die "Chiesa e cripta di San Pietro di Mandurino", mit seiner über tausend Jahre alten Kreuzkuppelkapelle mit bemerkenswerten Fresken aus dem 5. Jhd. von byzantinischer Mönchen gemalt, die Überreste der messapischen Mauern und die in Stein gehauenen Grabstädte dieses Volkes, das sich vor 2000 Jahre mit den Römern anlegte. Schade, dass die Präsentation dieser geschichtsträchtigen Anlagen nicht besonders glücklich ausfällt. Mit Hilfe offensichtlich reichlich fliessender EU- Gelder umzäunte man die Anlage aufwändig und nicht gerade touristenfreundlich, in den aufwändig erstellten Metallstegen und Passage erkennt man zudem wenig Sinn. Glücklicher präsentiert sich der römische Tiefbrunnen, seit Jahrhunderten eine nie versiegende Quelle, wo nach alter Überlieferung Hanibal bei seinen Kriegszügen gegen Rom seine Elefanten getränkt haben soll. Schon der Römer "Plinius der Ältere" beschrieb die Quelle als Segen für die damaligen Bewohner der Stadt und bezeichnete diese als eines der Weltwunder. Nach ihm wird heute die Gruft, übrigens 8 Meter unter dem Boden gelegen, auch benannt: "Fonte pliniano".
Für die sonnighungrigen Badegäste im nahen Badeort San Pietro in Bevagna ist Manduria der Ort, wo man in allernächster Nähe das pulsierende Leben einer typisch süditalienischen Stadt erleben kann: Auf dem Markt jeden Dienstag Morgen, am Vormittag bei seinen kleinen Besorgungen, am Abend auf der Piazza beim Flanieren. Während der Siesta (zwischen 14 bis 17 Uhr) herrscht Totenstille in allen Gassen der Altstadt. Die Hitze treibt die Menschen in die Häuser. Die Arbeit ist eingestellt, der sonst rege Verkehr rund um die Stadt versiegt buchstäblich unter der Sonne. Und dann spätestens nach 18 Uhr (die Sonne steht tiefer und verleiht selbst den verfallenen Fassaden einen goldenen Glanz) erscheinen die Männer an ihren gewohnten Plätzen zum täglichen Schwatz: Auf der Piazza, vor der Chiesa, überall in Gruppen - dort stehend, hier sitzend auf bereit gestellten Holzstühlen, palavernd und beobachtend (kein Fremder, keine elegante Dame entgeht ihres neugierigen Blickes).
Und: Manduria ist übrigens mit dem Bus ab San Pietro in Bevagna (Haltestelle 400 m vor unserem Haus) bestens erreichbar. Mindestens vier Mal täglich ist die Verbindung selbst ausserhalb der Saison sichergestellt. Ausgeladen wird man zwar nicht im Zentrum Mandurias, so dass ein Paar gute Schuhe empfehlenswert sind... Warum also nicht einmal einen Abendausgang in diese reizvolle Stadt umternehmen, auf den im Abendlicht gleissenden und bei Regen spiegelglatten uralten Pavimenten flanieren und anschliesssend in einer stilvollen Osteria sich eine echt apulische Spezialität mit einem Glas kräftigen "Primitivo di Manduria" genehmigen?